27 Mai 2016
racoon-berlin.de Beitragsserie | Mitarbeiterkultur

Teil III | Welche bestehenden und jungen Unternehmen haben sich eine nachhaltig ausgerichtete Mitarbeiterkultur geschaffen?

Das es bereits auf dem gesamten Globus Unternehmen gibt, die sich einer dem Mitarbeiter zugewandten Unternehmenskultur verschrieben haben, konnte man sehr anschaulich auch in der arte Doku „Wie wollen wir arbeiten?“ sehen. In den vorangegangenen beiden Beiträgen habe ich zusammengefasst, was Mitarbeiterkultur mit Nachhaltigkeit zu tun hat und welche materiellen Maßnahmen sinnvoll sein können. Das jedoch die Mitarbeiterkultur maßgeblich durch die Qualität des Arbeitsklimas, also zwischenmenschlich, einen sehr wesentlichen Aspekt mit sich bringt, soll der letzte Teil darstellen.

Ich habe mir drei Unternehmen mit verschiedener Marktgröße, Mitarbeiteranzahl und Branchen herausgesucht. Durch meine Onlinerecherchen habe ich mir ein Bild zu den Gründern Bodo Janssen von Upstalsboom (Hotel und Ferienwohnungen) und Götz Werner dem Gründer von dm Drogerie (Kosmetik- & Lebensmittelbranche) verschafft und in einem Kurzporträt dargestellt. Sowie die beiden soulbottles Gründer Georg Tarne und Paul Kupfer haben ihr Gründungsvorhaben von Anbeginn mit einem ganzheitlichen Blick 2011 gestartet. Ihr Anspruch ist es, eine Mitarbeiterkultur auf Augenhöhe zu führen und das Einbinden von gewaltfreier Kommunikation in ihrem jungen Start up zu leben.

Upstalsboom Chef Bodo Janssen wurde nach einer Mitarbeiterbefragung auf die ernüchternde Qualität der Mitarbeiterzufriedenheit, im Familienunternehmen, zum radikalen Umdenken und Handeln inspiriert. Er begann neue unternehmerische Grundsätze zu verfassen und diese Realität werden zu lassen. Hierbei fing er bei sich selbst an mit dem Glaubenssatz:

 

»Wenn jemand als Führungskraft etwas verändern möchte, ist er gut damit beraten, zunächst und ausschließlich bei sich selbst anzufangen.«

 

Unterstützung holt er sich dabei im Kloster bei Seminaren mit Titeln wie „Führen mit Werten“, desen Leitung Pater Anselm Grün hatte. In seinen Seminaren vermittelt er Einsichten zur inneren Wertschätzung, mit Sätzen wie:

 

»Es genügt nicht nur von den Zahlen her zu wirtschaften sondern ich brauche eine innere Quelle aus der ich schöpfen kann, damit ich nicht so leicht erschöpft bin. Wenn ich mich nur vom Geld orientieren lasse, bin ich bald ausgepowered.«

 

Wertschöpfung durch Wertschätzung lautet seine neue unternehmerische Ausrichtung, die sich auf die Mitarbeiterkultur auswirkt. Das Ergebnis waren gesteigerte Arbeitgeberattraktivität, Servicequalität und Wirtschaftlichkeit. Die Mitarbeiterzufriedenheit stieg, laut eigener Angaben, um ca. 80% und die Weiterempfehlungsrate durch die Gäste erfuhr dadurch ebenfalls eine positive Steigerung.

dm Drogerie Gründer Götz Werner pflegt seit jeher eine ausgeprägte Unternehmenskultur. Sein Anspruch ist es, dass Mitarbeiter nicht mehr als Kostenfaktoren gesehen werden, sondern als Unternehmer im Unternehmen und mit dieser Ausrichtung hat er Erfolg. Seit 2008 hat er die operative Führung am Unternehmen abgegeben, das mehr als 40.000 Menschen europaweit beschäftigt. Begriffe aus der Betriebswirtschaft hat er abgeschafft und durch Ausdrücke ersetzt, die er für passender hält: Gewinn heißt z.B. „Entschuldung“, Lehrlinge sind bei ihm „Lernlinge“ und Personalkosten laufen als „Mitarbeitereinkommen“. Seiner Ansicht nach ist der wichtigste Mitarbeiter der Jenige im Unternehmen, der mit dem Kunden spricht. Um das zu erreichen soll jeder Mitarbeiter wie ein Unternehmer auftreten. Das funktioniert jedoch nur, wenn sie denken und handeln wie ein Unternehmer und ihnen alle notwendigen Mittel und Freiheiten zur Verfügung gestellt werden.

 

»Die Kultur der Selbstständigkeit, die Wertschätzung, die freundliche Atmosphäre in den Filialen – alles das und noch mehr sorgt dafür, dass viele Mitarbeiter hier nicht mehr wegwollen. « –Jörg Knoblauch, Benjamin Kuttler aus dem Buch: Das Geheimnis der Champions: Wie exzellente Unternehmen die besten Mitarbeiter finden und binden.

 

Bei der jungen Mitarbeiterwahl stehen Interesse, Charakter und Bereitschaft sich zu engagieren vor der Beurteilung mittels Schulnoten. Einer der Fundamente ist es, Menschen als entwicklungsfähig und entwicklungsfreudig zu begreifen. Götz Werner sagt dazu:

 

»Jeder Mensch ist ein Unternehmer – ein Lebensunternehmer. Jeder Mensch schreibt seine eigene Biografie. So unberechenbar wie ein Unternehmen ist auch ein Leben, aber beides ist gestaltbar.

 

Ich hätte dir gern, an dieser Stelle, durch ein Interview, einen direkten Einblick geben wollen, wie vor allem junge Unternehmen eine zukunftsausgerichtete Mitarbeiterkultur leben, jedoch konnte meine Anfrage bei soulbottles derzeit leider nicht berücksichtigt werden. Deshalb versuche ich, durch meine Recherchen, dennoch ein Bild zu zeichnen.

soulbottles Mitgründer Georg Tarne setzt sich für eine Unternehmenskultur ohne Hierarchiestufen ein und fördert die Gewaltfreie Kommunikation. 2011 gegründet, nicht nur um plastikfreie Trinkflaschen auf den Markt zu bringen, sondern viel mehr noch soziale Unternehmensstrukturen zu leben, die beitragen das Leben im zwischenmenschlichen Bereich zu bereichern. Weg von der Elbogengesellschaft hin zur gelebten Emphatie und das am besten über das eigene Unternehmen hinaus.

 

»Du kannst deine Unternehmenskultur am Reißbrett konstruieren so viel du möchtest, in der Realität bekommst du die Unternehmenskultur, die du als Gründer lebst.«

 

Sein Ansatz von Holacracy, grob gesagt der verzicht auf Herachiestufen und das ermöglichen von Selbsterfahrung/-verwirklichung (wer bin ich und was kann ich hier im Unternehmen einbringen und am sinnvollsten sein), findet durch gewaltfreie Kommunikation Verstärkung.

racoon | Beitragsserie Mitarbeiterkultur, Holacracy am Beispiel soulbottles

Das Anerkennen, dass wir alle Menschen sind und das Leben einer objektiven Fehler-Machen-und-eingestehen-Kultur wird schon deutlich, wenn man sich eine Stellenausschreibung durchliest: „(…)Du hast Lust, ein Produkt, das einem neuen Wirtschaften entspricht, auch in der entsprechenden Haltung zu vertreiben und dich auf die dafür essenzielle Unternehmenskultur des Miteinander und des 100% Mensch-Seins am Arbeitsplatz einzulassen. Das heißt: Beratendes Verkaufen und auf die Bedürfnisse des Kunden eingehen, was auch immer sie sein mögen, statt dem Kunden auf Teufel komm raus was aufzuschwatzen.(…) Uns ist wichtiger, dass du von Haltung, Motivation und Spirit zu uns passt, als dass du schon Erfahrung im „klassischen“ Vertrieb hast. Falls du sie also noch nicht hast, diesen Job aber dennoch unbedingt willst, bewirb dich auf jeden Fall trotzdem!“(Auszug soulbottles-Jobs für Kundenbetreuungs- und Vertriebsmitarbeiter*innen)

 

»Deswegen ziehen wir Menschen vor, die entweder schon 1-2 Jahre Therapie hinter sich haben oder zum Beispiel eine GFK-Intensivausbildung gemacht haben.«

 

Ich empfinde diese ganzheitliche und transparente Unternehmenskultur sehr zeitgemäß. Nachhaltiges Produkt und den Blick auf den Menschen im Unternehmen gewandt und Konfliktsituationen als Chance zur Verbesserung des eigenen Selbst zu begreifen, kann heutzutage nicht oft genug betont werden. Wir sollten nicht vergessen, dass wir Durchschnittlich 8 Jahre (entspricht 70080 Std.) in unserem Leben auf der Arbeit verbringen und dann doch gern dort, wo wir uns Wohlfühlen.

racoon | Beitragsserie Mitarbeiterkultur, Gewaltfreie Kommunikation im Unternehmen am Beispiel soulbottles
Mein Fazit

Alle genannten Unternehmer haben die Erkenntnis gewonnen, dass sie es selbst in der Hand haben, wie sie ihre Mitarbeiterkultur leben wollen und das eine ausbeuterische Unternehmenskultur auf allen Ebenen kontraproduktiv ist. Alle haben sie verstanden, dass ihnen als Oberhaupt das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter auch ihr eigenes finanzielles Auskommen sichert und es ihre Aufgabe sein muss, die unternehmerischen Werte vorzuleben, da sich nur dann eine authentische Mitarbeiterkultur einstellen kann.

Weitere Artikel der Beitragserie Mitarbeiterkultur

Teil I | Was hat Nachhaltigkeit mit Mitarbeiterkultur zu tun?
Kurze Erläuterung zum sozialen Aspekt der Nachhaltigkeit, CSR (Corporate Social Responsibility) und ihre Wirkung auf die Entwicklung von Mitarbeiterkultur.

Teil II | Welche Möglichkeiten gibt es zur Entwicklung einer besseren Mitarbeiterkultur?
Welche Möglichkeiten für die Mitarbeiterkultur und die Förderung des Wohlbefindens des Mitarbeiters möglich sind, zeige ich in diesem Teil der Beitragsserie auf.

Teil III | Welche bestehenden und jungen Unternehmen haben sich eine nachhaltige ausgerichtete Mitarbeiterkultur geschaffen? 
Der dritte Teil beschäftigt sich mit Unternehmensporträts, die von anbeginn eine sozial ausgerichtete Mitarbeiterkultur in das Gründungskonzept einbezogen haben oder erkannt haben, dass eine Änderung des bestehenden Mitarbeiterbilds notwendig ist und allen zugute kommt.

Quellen und Linkempfehlungen

| Hier noch ein Video in dem Götz Werner über seine Gründungsgeschichte erzählt.
| Hier noch einen sehr ausführlichen Artikel von Georg Tarne zum Thema Unternehmenskultur/Mitarbeiterkultur.

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